Die letzten sieben Tage habe ich Schubert gespielt, Aufbruch, Abschied und Jubiläen gefeiert, Heldentenöre engagiert, Nobelpreisträger getroffen, lauschte wundersamen Reden und live gespielten Musiken von Mozart, Strauss, Lutosławski, Bruckner und anderen, habe Geschenke empfangen, führte Gespräche und unzählige Telefonate, bin in langen Sitzungen und mit meiner Frau nach Mitternacht am Balkon gesessen, habe in Pressekonferenzen Brucknerräume manifestiert, Dinge geplant und Programme geordnet, viele Emails und Notizen geschrieben, meine Töchter geweckt, war mit nicht wenigen Herausforderungen – ich mag das Wort Probleme nicht – konfrontiert, konnte manche davon problemlos lösen, durfte mit unzähligen Menschen im Gespräch sein und dabei unfassbar viel Resonanz erfahren. Ich war umtriebig, beredsam, in Bewegung, in Auswahlverfahren, wurde gefragt, wie man nur so fröhlich sein könne, schlief wenig, aber immer genug, war und bin unendlich dankbar. Es war eine Woche, wie die Wochen, das Leben, das ich führen darf und will, so erfüllend sind, vielleicht ein bisschen grenzenloser als sonst. Ich schreibe dies auf, nicht um meine Leistungsbilanz abzugeben, ich will mir mein Leben selbst leisten.
Vor Wochen war ich an einem Sonntag am Weg in meiner Straße, sah viel Polizei und einen Bestattungswagen und begriff sofort, ohne mich anzunähern, dass ein Freund von mir gestorben war, was sich Tage danach bestätigte. Er lebte in unserer Straße, ohne Obdach. Auf Nachfragen wurde mir mitgeteilt, dass man nach seinen Angehörigen suche, wenn keine gefunden werden, gäbe es in einigen Wochen ein Fürsorgebegräbnis. Ich bat, informiert zu werden, was letzte Woche geschah, da man keine fand. Diese Woche, am Dienstagnachmittag, war sein Begräbnis im Linzer Urnenhain. Ich spielte Flöte, sprach über ihn, und die feinfühlige Seelsorgerin führte ein würdiges Bestattungsritual an. Wir waren zu viert, die Seelsorgerin, zwei Mitarbeiterinnen der Bestattung und ich.
Ich nenne ihn beim Namen, er hieß Mario, in meinem Buch „Spiel“ habe ich ihm im letzten Jahr ein „Zwischenspiel“ gewidmet und ihn aus guten Gründe Felix genannt. Seine Mutter hat ihn im selben Jahr wie meine Mutter mich geboren. Doch lief sein Leben ganz anders, war letztlich nicht von der Resonanz und offensichtlich nicht von Menschen umgeben, die für ihn sorgen. Ich widme ihm diese Worte, schaffe mir diese ewige Erinnerung an einen Menschen, der – wie so viele – einfach von der Straße und aus der Erinnerung verschwinden, ohne dass es jemandem auffällt. Sein Foto, das ich von der Seelsorgerin bekam, war mir ein kostbares Geschenk diese Woche. Es erinnert mich nicht nur an ihn, sondern auch an das, worum es wirklich geht. Habe es leicht, mein frohsinniger Freund!


