Es reicht, ich gehe jetzt spielen.

Norbert Trawöger: Spiel

Ein Buch voller Gedankenspiele, die sich mit dem kindlichen und dem erwachsenen Spiel befassen, mit dem musikalischen Spiel, dem Spielfeld und wieso wir alle zurück in den Spielraum finden sollten.

Im Rahmen der essayistischen Reihe übermorgen des Verlags Kremayr & Scheriau ist Spiel von Norbert Trawöger erschienen. Es ist eine Reihe, die unterschiedliche Bereiche des Lebens anhand verschiedener Begriffe beleuchtet. In diesem Buch werden in kurzen Kapiteln verschiedene Aspekte des Lebens gezeigt, in denen das Spiel vorkommt oder vorkommen sollte. So wird zum Beispiel der Spielplatz beschrieben, das Kinderspiel, das Musikspiel, Spielverderbende oder das Spiel der eigenen Fantasie. Es ist ein Aufruf an die Erwachsenen, wieder spielerisch zu werden und ein Gedankenspiel über den Pandemie-bedingten Lockdown, in dem alle spielerisch kreativ sein mussten.

Fast unumgänglich scheint es zu sein, die Biographie des Autoren anzuschauen, denn diese wird im Text fast auf jeder Seite erwähnt. So erfahren wir, dass der Erzähler Musiklehrer war, noch immer Flötist und im Kulturbereich tätig ist und mit seinen Kindern zu Hause spielt. Trawöger ist Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz, Intendant des Kepler Salon und auf seiner Website wird beschrieben, dass er «in ständig verändernden künstlerischen Aggregatszuständen» ist. Durch die vielen autobiographischen Anklänge in dem Text, wirkt es tatsächlich so, als kriege man einen Einblick in das Leben Trawögers. Dabei stützt er sich auf Kindheitserinnerungen, Zitate seiner Töchter, Bekanntschaften aus dem Kulturbetrieb und auf seine eigenen Erfahrungen als Musiker. Mit einer Leichtigkeit führt er uns durch das alltägliche Leben und regt gerade dadurch zum Denken an.

Schon im ersten Kapitel wird auf die Wichtigkeit des Spielens hingewiesen und darauf, was für Möglichkeiten es eröffnet: «manchmal die, bei vollem Bewusstsein fliegen zu können oder einfach mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.» Eine solche Herausforderung, die mehrmals erwähnt wird, ist der Lockdown, der uns alle in eine Situation gebracht hat, die uns unbekannt war. Wir mussten in unseren «Gegenwartezimmern» nach neuen Umgangsformen und Beschäftigungen suchen. Doch gerade hier greift Trawöger ein: «Ich trete für mehr Besinnung auf die Ziellosigkeit ein, die uns als spielende Kinder natürlich war. Lasst uns mehr ausprobieren, herausfinden, wonach wir gar nicht gesucht haben.» Dies ist nur einer von den zahlreichen Appellen, die an die Leser*innen gerichtet werden. Erwachsene sollen wieder den Zugang zur Welt der Fantasie finden, den jedes Kind kennt. Wenn wir «Kreativitäter*innen» sind, können wir schöpferisch tätig sein und es wird uns bewusst, dass wir die Gesellschaft mitgestalten können. Wir sollen den Weg in den «Spielraum» wiederfinden.

Auf dem orangen Einband des Buches ist eine Schaukel abgebildet. Einerseits wird die Schaukel in mindestens einem Gedankenspiel angesprochen («Oscillo, ergo sum. Ich schaukle, also bin ich.»), andererseits schaukeln sich die Leser*innen durch das Buch hindurch. Die Kapitel sind unterschiedliche Teile eines Ganzen, oder wie Trawöger selber sagt: «Ich spiele in diesem Buch persönliche Spielzüge aus, die wie in einem Mobile zusammenhängen.» Man schaukelt von einem Gedankenspiel zum nächsten. Auch in der fantasievollen Sprache wird ,geschaukelt‘ – sie ist oft mehrdeutig und Wortspiele sind keine Seltenheit. So kommen beispielsweise die bereits erwähnten «Kreativitäter*innen» vor, die «Kreativitaten» begehen. Trotzdem ist es eine Sprache, die leicht zu lesen ist und gut durch die einzelnen Gedanken führt. Trawöger lässt gekonnt politische und gesellschaftskritische Aspekte einfliessen, die jede*n zum Denken anregen und vielleicht sogar zum Spielen animieren. Es ist ein hochaktuelles Buch und kommt in einer Zeit, in der das Zusammenspiel immer wichtiger wird, gerade rechtzeitig. So rundet Norbert Trawöger sein Gedankenmobile mit einer indirekten Aufforderung an uns alle ab: «Es reicht, ich gehe jetzt spielen.»

Laura Minder