Hier die Achte!

Wir kennen seine Wege, die er genommen hat, um von Ansfelden nach Sankt Florian und von dort weiter nach Linz zu gelangen. Wir nehmen sie bis heute, auch wenn deren Beschaffenheit eine andere geworden ist. Von der Zeit, die es damals dauerte, darauf vorwärtszukommen, will hier erst gar nicht die Rede sein. Oder doch?

Mitten in Linz steht der Alte Dom unbeeindruckt vom Zeitlichen. Nur scheinbar, denn die Turmhelme, die Bruckner kannte, wurden erst dieser Tage erneuert. Das Kupfer glänzt noch. Auf der Empore des Doms hockt unbeeindruckt seine Orgel, als ob sie auf ihn warte.

Vor dem Fortgang nach Wien hatte er sich vor ihren Spieltisch, der mehr als ein Jahrzehnt der seine war und ewig bleiben wird, hingekniet, den Bleistift achtsam aus der Rocktasche gezogen und „Lebe wohl“ in die Vorderwand eingeschrieben. Eine Einschreibung, die bis heute gilt, auf den Altar blickt, wie Bruckner es beim Spielen getan hat. Für die Zugewandten stecken seine Improvisationen im Gemäuer.

Zuwendung verheißt Wahrnehmung.

„Genius loci“, sagt man schnell und zu Recht dahin und meint „der Geist des Ortes“, ohne sich dessen bewusst zu sein. Tatsache ist, Anton Bruckner erblickte am 4. September 1824 in Ansfelden das Licht der Welt. Er ist Oberösterreicher, wie wir es sind. Was keinerlei Bedeutung hat, wenn wir der Zugehörigkeit nicht die richtige Deutung geben. In der Zugehörigkeit steckt das Hören, wodurch wir zueinander gehören.

„Wer hohe Türme bauen will, muß lange beim Fundament verweilen“, wird Anton Bruckner unterstellt. So zutreffend dieser Satz für sein Schaffen sein kann, so wenig gesichert ist, dass er ihn je wirklich ausgesprochen hat. Anton Bruckner ereignete sich in unserem Landstrich. Nirgends anders hätte das Ereignis passieren können, zwischen Kyrierufen und Landlerschritten, Hügeln und Wäldern Oberösterreichs.

Dort, wo ein Dialekt gesprochen wird, der bis heute unverwechselbar ist und auf den Klang der Menschen hier abfärbt. Mit mehr als vierzig Jahren bricht Bruckner endgültig aus, um lebenslang wieder und wieder auszubrechen, auch aus dem Kirchenraum. Er findet sich und seine Sprache im Formgelände der Sinfonie. Sinfonien von exzessiven formalen und tonalen Dimensionen, die wie Monolithen einschlagen.

Seine Musik gehört uns nicht, sie gehört der ganzen Welt, aber sie gehört zu uns, zu unserer Identität. Das Bruckner Orchester Linz gehört weit über die Grenzen hörbar zu diesem Land. Es trägt mehr als nur seinen Namen, was auch mehr als nur eine Verpflichtung ist. Es hat dort Heimat, wo Bruckner in die Welt aufbrach.

Markus Poschner und das Bruckner Orchester Linz sind dem Notierten ewig und von Neuem auf der Spur. Dabei gilt es zu begreifen, auf welchem Grund – und das ist nicht in erster Linie geografisch gemeint – seine Musik daherkommt, welche Tradition sie von Palestrina bis Schubert, Beethoven oder Berlioz umarmt. Gleichzeitig sprengt Bruckner die Kathedrale und geht direkt mit Gott ins Gespräch. Der Fromme war ein Ketzer, wie alle Mystiker es sind. Sie suchen den Kontakt unmittelbar. Die Weihrauchnebel lichten sich. Doch nicht schleppend!

Bruckner singt und tanzt in Linz, in Oberösterreich. Avantgarde hat hierzulande Tradition. Hier die Achte!